Inhaltszusammenfassung:
In der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie werden bis heute bei ausgedehnten Knochendefekten vorzugsweise autologe Knochentransplantate verwendet, obwohl diese mit diversen Nachteilen behaftet sind. Deshalb wird beim Bone Tissue Engineering bereits seit einigen Jahren mittels Stammzellen an alternativen Knochenkonstrukten geforscht. Als Stammzellquelle haben sich dafür periostale Stammzellen als besonders geeignet erwiesen. Zur osteogenen Differenzierung von mesenchymalen Stammzellen wird standardmäßig Dexamethason verwendet. In vivo führen Glukokortikoide wie Dexamethason jedoch zu zahlreichen Nebenwirkungen. Um mögliche unerwünschte Nebenwirkungen von Dexamethason in vitro zu vermeiden und da die Zellen in Zukunft auch in vivo zur Anwendung kommen sollen, ist jetzt schon die osteogene Differenzierung ohne Dexamethason wünschenswert. Es wurde bereits gezeigt, dass Dexamethason für die osteogene Differenzierung periostaler Stammzellen nicht mehr benötigt wird, wenn humanes Plättchenlysat (hPL) anstatt fetalem Kälberserum (FCS) verwendet wird. Dadurch sind die Kulturbedingungen bereits viel näher an der natürlichen Situation in vivo und es konnte die osteogene Differenzierung mit und ohne Dexamethason verglichen werden. Das Ziel dieser Arbeit war, die Einflüsse von Dexamethason auf die Mineralisation, Genexpression und Zusammensetzung der extrazellulären Matrix sowie auf die parakrine Sekretion von Kieferperiostzellen zu untersuchen.
Die periostalen Stammzellen in dieser Arbeit wurden aus kleinen Kieferperioststücken von 20 Patienten isoliert und mit hPL-Medium kultiviert. Um die osteogene Differenzierung einzuleiten, wurden die Kieferperiostzellen für 15 Tage mit Osteoblastenmedium ohne Dexamethason (OB-D), Osteoblastenmedium mit Dexamethason (OB+D) und Kontrollmedium (KO) kultiviert. Zur Beurteilung der Mineralisierungskapazität erfolgte nach 15 Tagen die Alizarin Rot-Färbung und Quantifizierung. Mithilfe der qPCR wurde die Expression verschiedener Gene untersucht. Außerdem wurde die parakrine Proteinsekretion der Kieferperiostzellen mit dem Proteom Profiler analysiert.
Zusammenfassend liefert die Arbeit Belege dafür, dass die aktuellen Differenzierungsprotokolle in vitro auf Basis von Dexamethason kritisch evaluiert werden sollten. Durch die Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die osteogene Differenzierung periostaler Stammzellen bei Verwendung von hPL nicht von Dexamethason abhängig ist. Die Ergebnisse zeigen, dass die Mineralisierungskapazität der Kieferperiostzellen, die ohne Dexamethason differenziert wurden, nicht verringert ist und stattdessen sogar die osteogene Differenzierung geringfügig verbessert wurde.
Außerdem wird ersichtlich, dass der Zusatz von Dexamethason bei der osteogenen Differenzierung periostaler Stammzellen weitreichende Einflüsse bei allen untersuchten Aspekten (Mineralisierungskapazität, Genexpression, Zusammensetzung der extrazellulären Matrix und parakrine Proteinsekretion) hat. Die erhöhte Expression der chondrogenen Markergene ohne Dexamethason und die vermehrte Expression der adipogenen Markergene mit Dexamethason weisen darauf hin, dass Dexamethason die osteogene Differenzierung negativ beeinflusst. Deshalb müssen die Auswirkungen von Dexamethason auf den Phänotyp und das Verhalten von Zellen bei der Bewertung der Ergebnisse von in vitro Studien berücksichtigt werden.
Da durch die Abwesenheit von Dexamethason keine negativen Auswirkungen beobachtet werden konnten, sollte die standardmäßige Dexamethasonergänzung bei der Zellkultivierung kritisch evaluiert und eine Kultivierung ohne Dexamethason in Betracht gezogen werden.