Inhaltszusammenfassung:
Der Fortschritt neurobiologischer Erkenntnis scheint es zu erlauben, Aussagen über die grundsätzliche Verfaßtheit des Menschen zu machen. Dadurch entsteht jedoch eine Spannung zu den Erkenntnisansprüchen von Philosophie und Theologie, die bislang für jenen Bereich zuständig galten. Zentrale Fragen sind dabei die nach der Wahrheit und die nach der Freiheit des Menschen. Die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Erkenntnisanspruches läßt sich nur auf der Basis erkenntnistheoretischer Überlegungen miteinander vergleichen und beurteilen. Davon ausgehend kann untersucht werden, ob die vorgestellten neurobiologischen Erkenntnisse völlig auf dem Boden des empirisch Faßbaren liegen, oder ob sie vielmehr von metaphysischen Voraussetzungen und Deutungskategorien abhängen, die der empirischen Arbeit notwendig und uneinholbar vorausgehen. Diese Voraussetzungen herauszuarbeiten und zu verdeutlichen ist Ziel der Arbeit.
Zunächst wird anhand der Überlegungen von W. Stegmüller gezeigt, daß jegliche Wissenschaft nicht darum herumkommt, Evidenz in Anspruch zu nehmen. Dabei können die jeweiligen Wissenschaften die Inanspruchnahme von Evidenz nicht durch ihre je eigenen Methoden eliminieren. Der Bezug auf Evidenz ist unabdingbar notwendig. Hernach werden die erkenntnistheoretischen Rahmenbedingungen, nämlich die Evidenz und das Erleben als Ort, wo sie gegeben ist, im Anschluß an E. Husserl phänomenologisch beleuchtet und für die weitere Untersuchung fruchtbar gemacht.
Weiter wird kurz in die grundlegenden Konzepte und Methoden der Neurowissenschaften eingeführt, um einerseits die notwendige Basis für den Diskurs mit den Neurowissenschaften zu schaffen, andererseits um die Grenzen derselben herauszustellen. Danach werden exemplarisch die Positionen zweier Neurowissenschaftler mit breiter Wirkung untersucht. Dabei wird aber auf die generellen Bedingungen neurwissenschafztlicher Arbeit abgehoben, d.h. es werden anhand der untersuchten Autoren die Bedingungen und Beschränkungen der Neurowissenschaften insgesamt herausgestellt. Die erste Position ist die G. Roths, der zwar einen umfassenden Erkenntnisanspruch erhebt, der aber innerhalb der neurowissenschaftlichen Erkenntnisbasis nicht einholbar ist. Ebenso bleibt die von Roth vorgeschlagene Antwort auf die Wahrheitsfrage unbefriedigend. E.O. Wilsons Position versucht die neurowissenschaftliche Erkenntnis in eine Theorie der Vereinheitlichung allen Wissens durch Empirie. Auch hier werden die erkenntnistheoretischen Probleme herausgearbeitet. Ebenso werden hier Konsequenzen eins solchen, vermentlich wissenschaftlichen Weltbildes deutlich.
Schließlich wird ein alternativer Entwurf vorgestellt, der die Erkenntnisse der Neurtowissenschaften angemessen würdigt, aber nicht die aufgezeigten erkenntnistheoretischen Schwachstellen übernimmt. Dieser Entwurf ist überdies kompatibel mit den Erkenntnissen der Theologie. Daher folgt an dieser Stelle eine theologische Zuspitzung aller Überlegungen.