Inhaltszusammenfassung:
In unserer Studie haben wir die Morbidität bei medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbrüchen im ersten, zweiten und dritten Trimester untersucht. Es wurde geprüft, ob mit steigendem Gestationsalter die Rate der Komplikationen, die mit einem Schwangerschaftsabbruch assoziiert sind, zunimmt.
Unsere retrospektive Studie schloss Patientinnen ein, bei denen zwischen 2018 und 2021 ein medizinisch indizierter Schwangerschaftsabbruch an der Universitäts-Frauenklinik in Tübingen durchgeführt wurde. Vor jedem medizinisch indiziertem Schwangerschaftsabbruch wurde die Indikation sowie gegebenenfalls die Notwendigkeit eines Fetozids durch ein Expertengremium geprüft. In Abhängigkeit vom Gestationsalter und der Größe des Fetus wurde entschieden, ob der Schwangerschaftsabbruch operativ durch eine Saugcurettage mit instrumenteller Nachtastung oder durch eine Geburtseinleitung erfolgte. Sowohl die präoperative Reifung der Zervix beim operativen Verfahren als auch die Geburtseinleitung in fortgeschrittenen Schwangerschaftswochen erfolgte gemäß standardisierten Protokollen.
Neben allgemeinen Charakteristika der Schwangerschaft und der Patientin wurden die Patientenfälle gezielt auf das Vorliegen der folgenden Komplikationen analysiert: eine Blutung mit einem Blutverlust 3 500 ml, eine Uterusperforation bei Kürettage, eine Uterusruptur, Via falsa, eine Hysterektomie, die Notwendigkeit zu einer wiederholten Kürettage oder zu einer erneuten Operation, eine Allergie, eine ungeplante erneute stationäre Aufnahme, eine Gabe einer Bluttransfusion und das Vorliegen einer Infektion.
Nach Analyse unserer Datenbank wurden 416 Patientinnen in unsere Studienpopulation eingeschlossen. Das mediane Alter der Mutter betrug 34,1 Jahre und das mediane Gestationsalter zum Zeitpunkt des Abbruchs lag bei 17,4 Schwangerschaftswochen. 84 (20,2 %), 278 (66,8 %) und 54 (13,0 %) Schwangerschaften wurden im jeweils ersten, zweiten und dritten Trimenon abgebrochen. Im ersten Trimester erfolgte in 80 Fällen (95,2%), im zweiten Trimester in 21 Fällen (7,5%) und im dritten Trimester in keinem Fall ein operativer Schwangerschaftsabbruch durch eine Saugcurettage mit instrumenteller Nachtastung. 77 Frauen (18,5 %) hatten mindestens einen vorherigen Kaiserschnitt und 169 Frauen (40,6 %) mindestens eine vorherige Spontangeburt.
Insgesamt traten bei 95 Frauen (22,8%) Komplikationen auf. Schwangerschaften, die zu einem fortgeschrittenem Gestationsalter abgebrochen wurden, zeigten signifikant höhere Komplikationsraten. Das mittlere Gestationsalter der Frauen ohne Komplikationen lag bei 16,6 bzw. 20,7 Schwangerschaftswochen mit Komplikationen (p<0,001). Im ersten, zweiten und dritten Trimester betrug die Komplikationsrate jeweils 6,0 %, 27,0 % und 27,8 %.
Zusammenfassend legt unsere Studie dar, dass die Rate an Komplikationen bei einem medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch mit steigendem Gestationsalter zunimmt.
Unserer Studie bestätigt den Stellenwert der frühen feindiagnostischen Untersuchung im Rahmen eines Ersttrimesterscreenings als einen wesentlichen Bestandteil der Schwangerschaftsvorsorge.
Je früher ein Fehlbildungsultraschall erfolgt, desto mehr Zeit verbleibt der Schwangeren, eine notwendige differenzierte Entscheidung nach einer auffälligen Diagnostik zu treffen. Eine frühe Sicherung der fetalen Erkrankung ermöglicht es, einen medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch zu einem sicheren Zeitpunkt durchzuführen.