Inhaltszusammenfassung:
Der Begriff Leistung begegnet nicht als eindeutige Bezeichnung für einen einzigen Sachverhalt, sondern in einer Vielzahl von Zusammenhängen: Physik, Sport, Schule, Wirtschaftswissenschaft, Versicherungen, Wohlfahrtsstaat, etc. Der Begriff ist überall derselbe, er kann jedoch völlig unterschiedliche Fälle bezeichnen.
Die vorliegende Untersuchung analysiert das Phänomen „menschliche Leistung“ und die daraus sich ergebenden Zusammenhänge und Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft handlungstheoretisch und kategorial aus verschiedenen Perspektiven:
Zunächst wird dargestellt, welches Phänomen der Rede von „menschlicher Leistung“ zugrunde liegt: Der Mensch handelt sinnvoll und zielgerichtet durch verantwortliche und bewusste Auswahl von vorzugswürdigen Möglichkeiten, weil er durch die Handlung Bedürfnisse befriedigen kann. Gelingt ihm das, so kann man sowohl das Handlungsergebnis als auch den Vorgang selbst als „Leistung“ bezeichnen.
Anhand der Perspektive des österreichischen Nationalökonomen Carl Menger werden grundlegende Aspekte von Bedürfnissen und ihrer Befriedigung aufgezeigt, die aber aus phänomenologischer und theologischer Sicht ergänzt werden müssen: Jeder Mensch hat aufgrund seiner conditio humana zwei Grundbedürfnisse – er muss die ihm gegebene Situation zunächst deuten und sie dementsprechend gestalten. Daraus ergeben sich vier Arten von Bedürfnissen, die für das Gelingen des menschlichen Lebens und Zusammenlebens notwendig sind und die Handlungsgrundlage für gesellschaftliche Funktionsbereiche bilden: Jeder muss Ziele auswählen und zudem dahin führende Wege. Dabei hat er sich zu orientieren, welches Ziel für sein Leben förderlich ist und wie ein gewähltes Ziel erreicht werden kann. In ausdifferenzierten Gesellschaften kann die Orientierung von Zielwahlen durch den Bereich der Lebenssinnkommunikation – Weltanschauung bzw. Religion – geleistet werden. Die Erforschung und Kommunikation möglicher Wege zu Zielen ist dagegen eine wissenschaftliche Leistung. Beides, wissenschaftliche und weltanschaulich/religiöse Leistungen sind Deutungsleistungen.
Gestaltungsleistungen hat der Mensch dagegen zu erbringen einerseits durch die Versorgung mit Lebensmitteln aller Art, also durch Leistung im Bereich der Wirtschaft. Andererseits muss in allen Bereichen eine Art von Ordnung gelten – Leistung im politischen Bereich sorgt daher für Recht und Gesetz und ihre Einhaltung durch Herrschaftsausübung.
Diese vier Arten von Leistung – im politischen, ökonomischen, weltanschaulichen und wissenschaftlichen Bereich – erfordern unterschiedliche Handlungsweisen und müssen daher nach verschiedenen Maßstäben beurteilt werden. Eine weitere Unterscheidung ist notwendig zwischen den Handlungsarten Poiesis und Praxis.
Die Ergebnisse des ersten Teils werden in einem Schaubild auf S. 159 zusammenfassend dargestellt, mit Beispielen für jede Leistungsart sowie Handlungsergebnissen unterschieden nach Poiesis und Praxis.
Die vier genannten Funktionsbereiche sind die Grundlage der Gesellschaftstheorie von Eilert Herms. Ihre theoretische Fundierung wird ausführlich dargestellt und mit dem Konzept von Friedrich Schleiermacher verglichen, von dem Herms nicht nur ausgeht, sondern das er deutlich erweitert und ergänzt.
Am Beispiel der christlichen Ethik wird die spezifische Sicht einer Ethosgestalt auf das Phänomen menschliche Leistung und die Möglichkeitsbedingungen eines verantwortlichen Umgangs damit dargestellt.
Die handlungstheoretische und phänomenologische Klärung des Begriffs Leistung im ersten Teil der Arbeit bildet zudem eine notwendige Grundlage, um im zweiten Teil Möglichkeitsbedingungen für eine verantwortliche Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens aus christlicher Sicht skizzieren zu können. Die weithin unterlassene Unterscheidung von Leistungsarten zeitigt weitreichende Folgen, wie beispielsweise die fortschreitende Ökonomisierung aller Funktionsbereiche.
Schließlich wird auch auf ökonomische und gesamtgesellschaftliche Fehlentwicklungen eingegangen, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu einer weltweiten Finanzkrise geführt haben.
Abstract:
The term achievement or performance is ambiguous depending on the context, be this physics, sports, school, economics, insurance, the welfare state, etc. The same term is used in all of these discourses.
The present study analyzes the phenomenon “human achievement” with action-theory and categorically from several perspectives to show the correlations and consequences of this for individuals and societies:
First the phenomenon itself is described: One acts reasonable and intentionally by choosing from several possibilities, since one is able to satisfy a need through action. If one is successful the outcome as well as the action itself can be called “achievement”.
The macroeconomic view of the Austrian national economist Carl Menger shows basic aspects of needs and their satisfaction. But this conception needs to be completed with a phenomenological and theological perspective.
Every human being has two basic needs due to the human’s “conditio humana”: the human has to interpret the given situation and formatively influence it. The result is four types of needs which are themselves together a “conditio sine qua non” that is essential for life and the living together of people. They are also constitutive for functional areas in society:
Everybody has to choose objectives and the means to achieve them. In doing so one has to orientate oneself to those objectives which are good for one’s life and on the paths which lead to this ends. In pluralist societies the area of ideology and religion is concentrated on the orientation of objective choices. On the other hand, the research and communication of means is achieved through the area of sciences. Both perform interpretation.
In contrast, influencing the situation is on the one hand an achievement in the area of economy – one has to supply oneself with goods of all kinds. On the other hand there has to be a system of law and order in all areas of life together. Therefore achievement in the area of politics by government is necessary.
These four types of achievement require different types of action and have to be evaluated by different criteria. Differentiation is also necessary between two additional types of action: poiesis and praxis.
Summing up the results of the first part of the study there is a chart displayed on page 159. In this chart there are four types of achievement which are illustrated together with results of action distinguished between poiesis and praxis.
The four areas described above are the foundation for the theological understanding of society from the German theologian Eilert Herms. Its systematic base is described in detail and compared with the concept of Friedrich Schleiermacher. Herms derives his concept in fact from Schleiermacher’s, but he extends and complements it considerably.
Using the example of Christian ethics, the specific perspective of the phenomenon of human achievement is presented, as well as the conditions of the possibilities to act in a responsible way.
The action-theoretical and phenomenological clarification of the term achievement is moreover the base for the second part of the study, in which the conditions of possibilities for a responsible arrangement of the social fabric are presented from a Christian point of view. Consequences of lacking differentiation of the types of achievement are discussed, especially the proceeding economization of all areas of society.
The study also discusses trends in economy and society, some of which led to the worldwide financial crisis at the beginning of the 21st century.